Üben in der MATRIX

​Durch ​mentales Üben physische Realität schaffen!                                    

​Im Artikel über Visualisierung hast Du gesehen, wie sich die Visualisierung auf Deine Psyche​ und sogar auf Deine Umwelt auswirken kann.

Jetzt kommt der Hammer:

​Wissenschaftler haben sich irgendwann mal die Frage gestellt, ​welchen Einfluß wir mit unseren Gedanken auf den physischen Körper, bzw. die physische Welt haben.

​Dazu hat man in einem Experiment* 3 Gruppen über eine Versuchsdauer von 12 Wochen getestet.

  • ​Die Teilnehmer der Gruppe 1 mussten den kleinen Finger 5 mal pro Woche à 15 Minuten anhand einer bestimmten Übung physisch trainieren.
  • ​Die Gruppe 2 musste genau d​ie gleiche Übung machen, aber mental, d.h. 15 Minuten lang nur in Gedanken.
  • ​Gruppe 3 war die Kontrollgruppe. Sie mußte nichts dergleichen machen

Das Ergebnis:

  • ​Gruppe 1, die den Finger physisch trainiert hatte, hatte nach 12 Wochen einen Kraftzuwachs von 53%
  • ​Gruppe 2, die den Finger mental trainiert hatte, einen ​Zuwachs von 35%(!!!)
  • ​Gruppe 3, hatte keinen Kraftzuwachs.


​Ist das nicht unglaublich? Gruppe 2 hat im wahrsten Sinne des Wortes keinen Finger krumm gemacht und hat stolze 35% an Kraft dazugewinnen können, nur mit Kraft der Gedanken!

* Quelle: ScienceDirect


In der Sportpsychologie gehört "Mentales Training" längst zum festen Bestandteil von Übeprogrammen.

Egal ob beim ​Turnen, Formel 1 Fahren, beim Abfahrtslauf, in der Leichtathletik oder auch bei chirurgischen Eingriffen, man stellt sich den Prozess vor der realen Ausführung viel Male vor, mit allen Details, Schwierigkeiten und Gefahren und gelangt so zu einer immer dichteren Information über die Ausführung.

​Bei physischen Tätigkeiten aktivieren wir die entsprechenden neuronalen Netze, wodurch diese "aufblitzen".

Wenn wir dieselben Tätigkeiten nur in Gedanken ausführen, sprich: visualisieren, feuern exakt dieselben neuronalen Netze.

Das bedeutet, dass unser Hirn nicht unterscheidet zwischen physischer und mentaler Tätigkeit. Das was das Gehirn visualisiert, setzt der Körper entsprechend um.

Die Zellen empfangen die Signale des Gehirns und erschaffen die physische Realität dazu - messbar!

Das erklärt ​so einige Dinge, z.B. wie es möglich ist, das Unterbewusstsein "bewusst" zu programmieren, die Fähigkeit zu Spitzenleistungen und nicht zuletzt auch das Phänomen der Selbstheilung.


W​as kann ich mental üben?

Viele beschränken ihr mentales ​Training lediglich auf das "Wissen, wie ein musikalischer Verlauf weitergeht", was schade ist, denn das mentale Üben kann soviel mehr sein als das.


​"Das mentale Üben erfasst die gesamte Spielhandlung mit all ihren technischen und künstlerischen Wahrnehmungs- und Bewegungsebenen, ebenso wie alle Sinne."
(außer dem Geschmacks- und Geruchssinn)


​Alle Übetechniken, die man real verwendet, kann man auch mental nutzen, inklusive dem entsprechen mentalen und sensorischen Feedback!

​Man kann sich fragen: ​

  • Spiele ich sauber?
  • Ausdrucksvoll?
  • Passt das Tempo?
  • Sehe und spüre ich das Bewegungsziel?
  • Spiele ich entspannt oder verkrampft?
  • Sitzt der Rhythmus?...


​Aber um mal einen groben Überblick darüber zu kriegen, was "im Allgemeinen" so mental geübt wird, hier eine kleine Liste mit mentalen Übestrategien von erfolgreichen Musikern:

  • Isolieren von Problemstellen, um sie mental ​weiterzuüben
  • ​Rhythmen singen/klatschen/trommeln
  • Singen von bestimmten Songstellen ("If you can´t sing it, you can´t play it!")
  • Fingersatz üben (während man die Musik im Kopf hört)
  • Selbstgespräche, z.B. bei Problemen an bestimmten Stellen, um sich ​durch sie "durchzucoachen"
  • Visualisierung einer musikalischen Darbietung mit allen Details
  • Zählen von Takten
  • Sich vorstellen, wie Dir jemand, den man sehr ​bewundert, genau beim Üben zuhört


Man muss sich nur mal Dokumentationen über Musiker ansehen und ​Du wirst sie ständig beim mentalen Üben beobachten können.

Sei es das Summen oder Singen von Melodien, das Klopfen von Rhythmen auf allen möglichen Gegenständen, das Greifen von Akkorden in der Luft, während sie kopfnickend einen Song im Kopf hören, etc.

Völlig egal, ob es sich dabei um Rocker, Jazzer, Punks, klassische Musiker oder Bluegrasser handelt, sie tun dies, weil das mentale Üben funktioniert!


​Das mentale Üben hat sogar einige große Vorteile, die sich mit dem realen Üben nicht ohne weiteres realisieren lassen.

​Ein Vorteil ist z.B, dass ​man sich Passagen, die im realen Spiel für Probleme sorgen, weil ​man sie ​vielleicht zu verkrampft und unsauber spielt, so mental vorstellen kann, wie ​man sie eigenlich gerne spielen ​würde.

​Man kann einfach mal spüren, wie es sich anfühlt, den Part so perfekt zu spielen, wie ​man es gerne hätte und ​sich dieses Bild langsam, Stück für Stück in das Unterbewusstsein laden, welches ​einen dann beim Lernprozess unterstützt!


​Wichtig hierbei ist es zu erwähnen, dass​ die Ursache von körperlichen Verkrampfungen in den allermeisten Fällen in der fehlenden mentalen Organisation des Spiels zu ​finden ist. Dazu zählen:

  • Unklarheit ​über den genauen tonalen Ablauf
  • ​Rhythmische Unklarheit
  • Diskrepanz zwischen motorischem Bild und wirklichem Text (Notenmaterial)
  • Fehlen des Überblicks über die musikalischen Einheiten

All dies lässt sich wunderbar mental üben, indem ich mir alle Schwachstellen wirklich bewusst mache, ohne das mir das motorische Gedächtnis in die quere kommt und mir diese "Arbeit" abnimmt, indem es irgendwann auf Autopilot schaltet.

Feinbeobachtungen und Korrekturen von Bewegungsabläufen (sowohl im musikalischen als auch emotionalen Sinne) sind beim mentalen Üben genauso möglich wie Intonationskorrekturen, das Nutzen von Bewegungsvarianten oder das optimieren von dynamischen Ton- und Phrasenverläufen.

Effizienz-Tipp:

​Schaffe Dir vor dem Verfestigen des Bewegungsflusses ​zuerst​ mental völlige Klarheit über den genauen Ablauf des Notentextes​, um lästige und unnötige, sowie zeit- und energieaufwändige Umlernprozesse zu vermeiden!


​​Ein weiterer grosser Vorteil ist, dass man das Spielen vor Publikum sehr gut mental Üben und dadurch Lampenfieber vorbeugen oder zumindest reduzieren kann, indem ​man sich seine Emotionen und Gedanken ​in Bezug zu einem vorhandenen Publikum immer wieder vorstellt und dadurch relativiert.

​Außerdem ​ha​t man die tolle Möglichkeit, sich von außen zu beobachten, sich sozusagen zu "objektivieren" und sich aus der Sicht eines Zuschauers zu betrachten.

Wie komme ich rüber? Wie wirke ich? Und vor allen Dingen: Wie möchte ich wirken?


W​as sind die Nachteile?

​Wie Du gesehen hast, hat das mentale Üben viele Vorteile. Neben den bereits erwähnten, kommt natürlich auch die Tatsache hinzu, dass Du dafür kein Instrument benötigst und somit überall üben kannst, ob im Zug, im Wartezimmer einer Behörde oder im Bett.

​Ein Nachteil ist allerdings, dass das mentale Üben zwar ausgezeichnet für deklarative Prozesse ist, also für alles was mit Worten beschrieben, also "erklärt" werden kann, für manche prozedurale Lernprozesse​ (Automatisierungsprozesse) jedoch nicht.

Dies hat damit zu tun, dass Automatisierungen im Lernverlauf zunehmend unter Ausschluss des Bewusstseins funktionieren.

​Ein weiterer Nachteil ist das Fehlen der sensorischen Rückmeldungen, der Körperperipherie und des physikalischen Umfelds.

​Zwar kann man die sensorische Rückmeldung selber konstruieren, die kann aber nur so gut sein, wie die eingespeicherte sensorische Repräsentation, sprich: kann Fehler enthalten.

​Bspw. kann man sich ​in einem Akkord oder Lauf den falschen Finger vorstellen, aber den richtigen Ton hören, sodass der Fehler unbemerkt bleibt.


Wie wende ich das mentale Üben nun am effektivsten an?

Wie oben bereits erwähnt, kannst Du mental genauso üben wie real! Du hast die gleichen Herausforderungen, Widerstände, Hindernisse, räumliche Lokalisationen, selbst die gleichen Wiederholungszahlen sind nötig.

Daher  bietet es sich an, gerade wenn man unter Zeitmangel leidet und nicht genug am Instrument üben kann, seinen Übungsplan auch mental zu verfolgen.

Dies kann problemlos als vollwertige Übezeit angesehen werden und in Kombination mit dem realen Üben hast Du, trotz Zeitmangel, ein mächtiges Tool an der Hand, um Deine musikalischen Ziele in kürzester Zeit zu erreichen!


"D​en besten Lernfortschritt erzielen wir, wenn wir, unabhängig davon, ob wir als Laie oder Profi, als Kind oder Erwachsener ein Werk einstudieren, zu gleichen Teilen mental ​​und instrumental üben!"


​Was ist sonst noch zu beachten?

​Gerade in der heutigen Zeit, wo vieles eher auf den technischen Aspekt des Übens abzuzielen scheint, ​finde ich es umso wichtiger zu betonen, dass jedes musikalische Kunstwerk aus 3 Dimensionen besteht, die für ein ganzheitliches Verständnis und somit auch für ein effizientes Üben, unabdingbar sind.

  • die geistige Dimension (analytisches Verständnis des Notentextes)
  • ​die körperliche Dimension (unser Spielapparat)
  • die seelische Dimension (das persönliche musikalische Ausdrucksvermögen und die Fähigkeit, ein Werk in seiner Aussagekraft zu erfassen und darzustellen)

​In der ​geistigen Dimension machen wir uns das Werk ​geistig zu Eigen, indem wir durch das Erkennen und Entschlüsseln der Kompositionsideen und Bauprinzipien, den Notentext dekodieren.​

In der körperlichen Dimension machen wir uns das Werk körperlich zu Eigen, indem wir es, durch Wiederholungen zuverlässig festigen und somit spieltechnisch automatisieren.

In der seelischen Dimension machen wir uns das Werk emotional zu Eigen, indem wir unsere musikalische Ausdruckskraft entwickeln und intensivieren und dadurch emotional verinnerlichen.

Jedes dieser drei Aufgaben können wir durch mentales Training vollständig oder zumindest teilweise lösen.

Fazit:

Die gleichzeitige und gleichwertige Entwicklung von spieltechnischer Fähigkeit und geistigem Verständnis maximiert die Lerngeschwindigkeit.

Mentales Üben ​kann so in Kombination mit dem instrumentalen Üben den Übebetrieb durch seine Stärken ​enorm bereichern!

​M​an hat die Möglichkeit, viel bewusster zu üben, Bewegungsabläufe viel feiner zu beobachten und entsprechende Korrekturen vorzunehmen und dadurch​ einen unglaublichen Grad an Perfektion zu erreichen.


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